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Geschichte

Die Geschichte der Stadtbibliothek

Die Görlitzer "Volksbücherei und Lesehalle"

Die Bemühungen der Ratsherren, der Wohlhabenden und Gelehrten  der Stadt Görlitz  um die Volksbildung waren stets vielfältig, sollten doch Bildung und Lesefertigkeiten  unabhängig von der Herkunft der Menschen Allgemeingut werden. Diesem bürgerschaftlichen Einsatz für die Volksbildung  verdankt Görlitz heute seine zwei bedeutenden Bibliotheken und bereitete auch in früheren Epochen der Bildung einen Weg.
Bereits 1727 war mit der Ãœbereignung der wertvollen Sammlung des Advokaten Johann Gottlieb Milich die erste öffentliche Bibliothek entstanden. Im  Jahre 1830  gab es in Görlitz zwei wissenschaftliche Bibliotheken, eine Fachbibliothek, einen Lesezirkel und drei private Leihbibliotheken.
Der  "Aufruf zur Errichtung einer Volks-Bibliothek" aus dem Jahr 1874, dessen Unterzeichner namhafte Görlitzer Bürger waren, ermöglichte   bald die Einrichtung einer größeren Volksbibliothek. Diese von einem Verein ehrenamtlich geführte Bücherei mit einem Bestand von immerhin 4700 Büchern und fast 500 Lesern gilt  als unmittelbarer Vorgänger der späteren städtischen  "Volksbücherei und Lesehalle".


Diese Bibliothek zählt zu den frühen Bauten der Bücherhallenbewegung, mit der Deutschland die Entwicklung der öffentlichen Bibliotheken weltweit maßgeblich beeinflusst und vorangetrieben hat.

Die 1892 gegründete Comenius-Gesellschaft war  federführender Verein bei der  Umsetzung der von Constantin Nörrenberg  formulierten  Ziele der Bücherhallenbewegung.  
Deren erklärtes  Ziel war die Verbreitung von Wissen und Bildung - diese Bibliotheken sollten allen Bevölkerungsschichten ohne Einschränkungen offen stehen.

Der  Aufruf "Schafft Bücherhallen!" wandte sich  Ende des 19. Jahrhunderts an die Magistrate der deutschen Städte. Die Initiatoren  reagierten auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen in der zweiten  Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Der Anspruch, auch mit Hilfe von Bibliotheken für  Volksbildung und einen vielleicht möglichen Ausgleich von Bildungs- und Klassenunterschieden sorgen  zu können, ging einher  mit umfangreichen Empfehlungen  für  Ausstattung und Funktion der neu zu schaffenden  Einrichtungen.
Forderungen waren u.a.:

  • hauptamtliche und fachliche  Leitung
  • ausreichende Ausstattung mit finanziellen Mitteln
  • weit angesetzte, günstige Öffnungszeiten
  • gute Ausstattung auch mit Leseräumen oder -hallen, sie sollten nicht nur Ausleihbibliotheken sein
  • tendenzlose Auswahl der Bücher, Bestandsaufbau durch Neuerwerbungen
  • Erweiterung des Literaturangebotes auch mit der bisher vernachlässigten Belletristik


Die Stiftung und Spenden des Geheimen Kommerzienrates Otto Müller ermöglichten ab 1905  den  Bau  und die Erstausstattung der Volksbücherei und Lesehalle. Die Stadt stellte ein erweiterungsfähiges Grundstück zur Verfügung  und erklärte die Bereitschaft zur Übernahme der Kosten für den Unterhalt.
Nach Plänen der Stadtbaudirektoren Hagedorn und Rieß entstand in Görlitz ein großzügig und zweckmäßig gestaltetes Bibliotheksgebäude, das ein seltenes Beispiel für funktionsgerechtes Bauen im Bibliotheksbereich dieser Zeit  ist.

Im ersten Jahr der Nutzung verzeichnete man in Görlitz 1311 Leser und einen, zunächst kleinen, Buchbestand von 2400 Bänden - je etwa 1200 schöngeistige Werke und Sachbücher.
Im Lesesaal, der über 150 Leseplätze verfügte,  konnten rund 100 Zeitschriften genutzt werden.
Die Kinderbuchabteilung wurde 1913, der Jugendlesesaal 1915 eröffnet.

 

Ein  besonders schönes Zentrum des historischen Teils der  Bibliothek,  die 280 qm große  Lesehalle, begeistert  die Besucher  mit der wieder hergestellten ornamentalen Ausmalung und der Dimension des Raumes. Das   mächtige Tonnengewölbe des Saales, eine Rabitz-Konstruktion,  reicht bis in das  dritte Stockwerk.  Die Stirnfront schmücken zwei große Ölgemälde des Düsseldorfer Kunstmalers Kiedrich, der die Stimmung in einer Klosterbibliothek und in einem zur Entstehungszeit der Bibliothek modernen Lesesaal festhielt. An der   südwestlichen Schildwand prangt ein fast monumental  gestaltetes Görlitzer Stadtwappen.  

Heute ist die Stadtbibliothek Görlitz ein zeitgemäßes Informations- und Kommunikationszentrum, das in den Jahren 2007-2009 eine umfangreiche Sanierung und einen modernen Erweiterungsanbau erhielt. Es entstand ein Stahlbetongebäude mit einem elliptischen Tonnendach und stellt im Gründerzeitgebiet  eine architektonisch  interessante  und gelungene Bereicherung dar.

Das historische  Büchermagazin erhielt einen behutsamen Umbau und ist  nach den Sanierungsarbeiten als zweigeschossiges "begehbares Bücherregal" auch erstmals öffentlich zu nutzen.

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